Andacht zum St. Martinstag

So helft mir doch in meiner Not...

Vorbemerkung: Auch wenn die Martinslegende viel reicher ist, kommt keines ihrer Elemente an die Mantelteilung heran. Und wenn man sich diese nun genauer betrachtet, stößt man unweigerlich auf die Frage, was denn besonderes an der Mantelteilung gewesen sein soll. Dann gibt es bestimmt 100 Menschen in jeder Gemeinde, die sich Armen in Not zuwenden, mit ihnen teilen. Dann müßte jede Kleiderspende für Menschen in Not (z.B. Erdbebenopfer) ein Grund zur Verehrung der Spender sein.  Aber das geschieht ja auch nicht.

Was spricht also besonders an an der Legende der Mantelteilung?

Die These, die der folgenden Andacht zugrunde liegt, ist die, dass die Identifikationsfigur nicht zuerst der Martin, sondern der Bettler ist. Und der Bettler stellt stellvertretend für uns Menschen:

Wir sind angewiesen auf Zuwendung, Zärtlichkeit, Wärme, „sonst ist der bittre Frost mein Tod!“

Ganz natürlich setzen das die Kinder, zumindest im Rheinland um. Sie sparen nicht etwa das ganze Jahr über Süßigkeiten, um sie am Martinstag zu verschenken (was der Rolle des Martins angemessen wäre), sondern sie schlüpfen in die Person des Bettlers und singen an den Haustüren: „Hier wohnt ein reicher Mann, der uns was geben kann.“

Unsere menschliche Erfahrung ist die, dass wir umso eher die Rolle des Martins ausfüllen können, je mehr vorher auf unsere Bedürftigkeit, unser Betteln nach Wärme eingegangen wurde.

Das wiederum enthebt die Martinslegende allen vorschnellen Moralisierens. Der Anspruch Ein bisschen so wie MartinA sein zu müssen kann erst dann gestellt werden, wenn wir aus unserem Bettlersein zumindest im Ansatz erlöst, und so etwas wie ein reicher MannA geworden sind.

Merken Sie, dass auch hierin die Sehnsucht nach Himmel aufleuchtet, dass dem Bettler im Martin ein Stück Gottes begegnet?

Vorbereitung: Holzschale, schwarzes Tuch, rotes Tuch, Kerze

Verlauf:

1. Lied:

2. Begrüßung: Im Namen des Vaters und des Sohnes ...

Hinweis darauf, dass gleich die Laternen abgelegt werden, damit die Hände frei sind.

3. Ich bin der Bettler: Eine Schale wird gezeigt: „Schaut sie euch an. Sie ist leer, sie wartet, vielleicht sagt sie: ‚Tu was in mich hinein.‘.“

4. Schale wird auf den Altar gestellt, Laternen werden abgelegt, und mit den Händen eine Schale geformt. Anschauen. Ich bin leer, ich warte, ich möchte gefüllt werden.

5. Schwarzes Tuch wird gezeigt: Schwarz ist eine dunkele, eine traurige Farbe, wann ward ihr das letzte Mal traurig, wisst ihr es noch?

6. Das schwarze Tuch wird auf den Altar gelegt und die Schale darauf gestellt. Da ist jemand in Not. Er braucht Hilfe.

7. Katechet formt die Hände zu einer Schale und singt: „So helft mir doch!“ (Nach der Melodie: St. Martin ... ritt durch Schnee und Wind) Beim Singen führt er die Hände von unten nach oben. Er singt einmal vor und läßt die Anwesenden dann wiederholen.

Aber die Menschen wollen es nicht sehen. Sie verschließen ihre Augen (Geste)
Doch der Bettler ruft weiter: So helft mir doch!
Aber die Menschen wollen es nicht hören, sie verschließen ihre Ohren (Geste)
Noch einmal ruft der Bettler: So helft mir doch!
Aber die Menschen wollen nicht helfen, sie verschließen ihr Herz, (Geste) sie haben kein Mitleid.
Aber der Bettler gibt nicht auf, er ruft noch lauter: So helft mir doch!

Da kommt einer, (Katechet geht in die Sakristei und kommt mit einer brennenden Kerze wieder) Da kommt einer, der schaut die Welt an, so wie sie ist – er hat große Augen(Geste), Er will wissen, wie es den Menschen geht, deshalb hört er ganz genau hin.(Geste)

Und weil er Mitleid mit den Menschen hat, hat er ein weites Herz. (Geste)

Kerze neben die Schale auf den Altar stellen.

Noch einmal ruft der Bettler: „So helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bittre Frost mein Tod!“

Richtig: Der Mann, der da gekommen ist, heißt Martin. Er sieht die Not, er hört das Rufen, er hat Mitleid. Er teilt mit dem Armen seinen Mantel. Aber er teilt noch mehr: Er teilt die Not, er teilt sich selbst, weil er von Jesus gehört hat, weil er weiß, dass Jesus uns in den Armen begegnet.

Lied: Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, Str. 2 und 3

Kurze Auslegung: Wir sind die Bettler, wir sind angewiesen usw. Wohl dem, der einen Martin findet, durch den Gottes Liebe strahlen kann. (Laterne)

Noch einmal Hände zur Schale formen und gemeinsam im „Vater unser“ Gott anbetteln.

Segen

Schlußlied

© Clemens Rieger

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