Die Legende von der abergläubischen Verehrung eines falschen Heiligen

Als Bischof wohnte Martin zunächst in einer Mönchszelle, die an die Bischofskirche in Tours angebaut worden war. Wegen der Unruhe durch die vielen Besucher erbaute er sich aber bald etwa zwei Meilen außerhalb der Stadt ein Kloster für sich. Nahe bei diesem Kloster lag ein Ort, den die irrige Volksmeinung für heilig hielt, weil dort Märtyrer bestattet seien. Es stand sogar ein Altar an diesem Ort, der von einem früheren Bischof aufgestellt worden sein soll. Martin aber wollte nicht einer unbewiesenen Behauptung Glauben schenken. Er forschte deshalb bei den ältesten Priestern über den Namen des Märtyrers und den Zeitpunkt seines Martyriums. Martin hatte nämlich Bedenken, da die Überlieferung nichts Sicheres darüber aussagte.

Eine Zeit lang mied er die Stätte deshalb. Auf der einen Seite trat er so einer Frömmigkeit nicht entgegen, weil er nichts Sicheres wusste. Auf der anderen Seite stimmte er mit seinem Ansehen nicht der allgemeinen Meinung zu, um den Aberglauben nicht noch weiter zu verbreiten. Eines Tages aber nahm er einige Brüder mit sich und zog dorthin. Er stellte sich vor dem Grab auf und flehte zum Herrn, ihn zu offenbaren, wer dort begraben sei und welche Verdienste er besäße. Da wandte Martin sich nach links und sah neben sich einen schmutzigen, grimmigen Schatten stehen. Er befahl ihm, seinen Namen und sein Verdienst zu nennen. Dieser gab seinen Namen an und gestand sein Verbrechen: Er sei ein Räuber gewesen und wegen seiner Verbrechen hingerichtet worden; er werde aufgrund eines Irrtums der Bevölkerung verehrt. Er habe mit den Märtyrern nichts zu tun. Diese hielten sich in der Herrlichkeit auf, er aber am Strafort.

Die Umstehenden aber hörten nur die Stimme, sahen aber niemanden. Da erklärte ihnen Martin, was er gesehen habe. Er trug ihnen auf, den Altar von seinem bisherigen Platz zu entfernen. Die Bevölkerung befreite er aber auf diese Weise von ihrem Irrglauben.


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